Freitag, 3. August 2012

Mir ist nicht wohl. Mir ist sogar ziemlich unwohl! Schuld daran ist ein Zusammentreffen mit Li-san am Photometer. Auf die offenbar sehr ausführliche Kalibrierung wartend erzählte er von einer Soba Bar (japanische Nudeln), die so große Portionen machen würde, dass Keiner die je aufessen könnte. Wenn doch würde er ihm glatt das Essen ausgeben. Insgeheim warte ich ja den ganzen Tag auf nichts anderes als solche Sprüche. Mit strategischer Zurückhaltung habe ich irgendwas wie "man könnte es ja mal versuchen" gesagt und kurze Zeit später stand die Wette: Wenn ich es schaffe zahlt er, sonst ich! Wir sind dann auch direkt los, das blöde Photometer war eh noch am kalibrieren. Als die tatsächlich riesige Portion Soba vor mir stand war ich noch siegessicher:



Ich hatte noch nicht bemerkt, dass Nudeln und Sojakeimlinge (seit EHEC sind die mir suspekt) in einer Knoblauchsuppe schwammen und diese kleinen weißen Flöckchen reinen Knoblauch repräsentierten. Nach dem ersten Happen fing ich an zu überlegen, wie ich aus der Sache wohl wieder rauskomme. Erste Idee war, mich unglaublich ungeschickt mit den Stäbchen anzustellen, was mir auch gleich den Kommentar "das ging aber schonmal besser" einbrachte. Um den Knoblauch herum zu essen klappte auch nicht, es ist ähnlich schwierig in einer Kartoffelsuppe die Kartoffeln zu meiden.
Die angesichts des massenhaften SNP (Stäbchen Nudel Problem) obligatorische akustische Kulisse stand der einer Schweinezucht in nichts nach und machte den Genuss der Knoblauchessenz nicht eben leichter.
Nach einem peinlichen Viertel des Gerichts habe ich dann aufgegeben. Li-sans irritierter Blick wich schnell einem siegessicheren Grinsen und ich war um 1800yen ärmer. Er wollte mich trotzdem einladen aber das konnte ich nicht annehmen, Wette is Wette. Schließen möchte ich mit einer schrecklich realen Epipher: Mir ist nicht wohl. Mir ist sogar ziemlich unwohl! Immernoch!


An meinen letzten Eintrag schließt aber der vorvergangene Montag an und ist mir mit wirklich beeindruckenden Highball in Erinnerung geblieben. Das team war zu Sushi, Bier und Sake eingekehrt, hatte die Bar schon mindestens einmal gewechselt und ließ sich gerade zu indifferenten Saufparolen hinreißen, als mir besagter Longdrink in 7 verschiedenen Varianten auf einer Karte entgegen waberte. Vier davon habe ich probiert - mehr gab‘s nicht - alle waren super, vor allem der mit Ginger. Kaspar, die Japaner assoziieren deinen Namen nun mit diesem Mischgetränk, evtl. verwechseln sie Dich sogar damit. Wenn du also "Nama Kaspal futatsu kudasai" hörst weist du was von dir erwartet wird und wem du das zu verdanken hast. Grüße nach Tübingen bei der Gelegenheit.

Mittwochmorgen ging‘s dann wie angekündigt nach Shinshu, das ist der alte, aber hier hippere Name für Nagano. Wiedermal hat sich mein Gastgeber, Prof. Ikeda als unglaublich netter Mensch erwiesen, der mir mit seinem team zwei tolle Tage bereitet hat. Essen, Vortrag, Institutsführung, Onsen, nochmal Essen - ich könnte mich daran gewöhnen! Vielleicht sucht ja Jemand Vortragsreisende für kulinarisch lohnende Regionen, ich stünde zur Verfügung :-) Leider habe ich in Shinshu nur zwei Fotos gemacht, eines zeigt den Blick aus meinem Hotelfenster, das andere leckeren Fisch in gerade gesättigten Menschen. Das gibt es sogar auf der Homepage zu sehen: Link



Auf der Heimfahrt am Freitag habe ich noch tolle Bilder von der schönen Bergwelt um Nagano gemacht, die eine weitere Geschmacksrichtung japanischer Natur darstellt. Die Warnmeldung "keine Speicherkarte" hat dabei garnicht gestört, dennoch sehe ich mich gezwungen meine Eindrücke mit Ms Paint zu illustrieren.



Zurück in Tokyo war ich noch fix im Labor und anschließend mit Cho und Kim essen. Hamazushi heißt dieser vollautomatische Fischverteiler, indem es sich fürstlich speisen lässt. Ich weis jetzt woher das Okinii in Düsseldorf die Idee mit den iPads hat... Weniger egozentrische Displays hängen hier überall an den Tischen und warten auf die kulinarischen Gelüste der Gäste. 28 Teller haben wir zu Dritt geschafft und erst danach hat Kim verkündet uns einzuladen - eine feine Art! Noch ein deutsches Sushi Restaurant kam mir bei dem Wort "oishi" in den Sinn: das heißt "köstlich" auf Japanisch, also kein besonders einfallsreicher aber erfreulich zutreffender Name für die Aachener Filiale.



Samstag stand Feuerwerk in Asakusa auf dem Plan. Das Feuerwerk wurde von einem Fluss abgeschossen, der umsäumt von sehr hohen Häusern nur von Brücken und einer Uferstraße einsehbar war. Beides war aus Sicherheitsgründen gesperrt. In 15 Metern Höhe schlängelte sich ein highway am Flussverlauf entlang, der aus Sicherheitsgründen natürlich auch gesperrt war. Die Menschenmassen wurden von der zahlenmäßig überlegenen Polizeiarmada daher unter den Highway geleitet - aus Sicherheitsgründen... Spätestens hier war eine Fehleranalyse angebracht:
a) Die Polizei wusste nicht, dass Feuerwerk in der Luft stattfindet
b) Die Polizei wusste nicht, dass man durch Autobahnbrücken nicht durchgucken kann
c) Der Polizeichef kann den Feuerwerkchef nicht leiden und wollte ihm immer schon einen reinwürgen

Letzteres schien mir am plausibelsten während ich den Japanern zusah, die sich die Liveübertragung des Feuerwerks auf ihren Smartphones ansahen. Immerhin war der Ton echt und es hat gehallt wie sau!



Danach haben uns die Polizeimassen nach Hause reguliert. Deutsche "Autonome" (ist das die politisch korrekte Bezeichnung?) sollten das mal mitmachen, danach würden sie Schäuble und Friedrich als Freiheitskämpfer feiern. Es war allen Ernstes unangenehm, aber auch das ist wohl Teil der Kultur, wie man am Verhalten der Einheimischen beobachten kann. Gehorsam, eiserne Akzeptanz von Regeln und eine selbstverständliche Unterordnung in der Masse sind hier völlig normal. Bei den beengten Verhältnissen ist das auch erklärbar und manchmal sicher notwendig, aber dem eher freiheitlich geprägten Europäer ist das schnell unangenehm.

Nach dieser ersten abendlichen Etappe hieß es dann: Frisch machen, krasse Frisur erzeugen, Geld einstecken und ab in die U-Bahn Richtung Shinbashi. Ziel war der Club "ageHa Studio coast", der mir mehrfach als DIE location in Tokyo empfohlen wurde und angeblich das beste Soundsystem Asiens zu bieten hat. Mit diesen Superlativen bin ich vorsichtig geworden. Bei der Anzahl an längsten Straßen, höchsten Türmen und größten Zigarettenanzündern die mir schon gezeigt wurden, bedürfte es schon zahlreicher Parallelwelten um die Grundsätze der Logik nicht zu verletzen. Aber vielversprechend klang es so oder so.

Es war nicht einfach in den Schuppen reinzukommen. Reisepass, Fingerabdrücke und Leibesvisitation wie am Flughafen waren für jeden Gast obligatorisch. Dabei guckten sehr kleine Türsteher zu, die durch individuelle Podeste Mannesgröße erreichten. Ich habe mir jeden Anflug von Lachen verkniffen und eine devote Gestik probiert - mit Erfolg, ich kam rein, Andere nicht.

Drinnen erwartete uns dann ein Zerstreuungsetablissement der Extraklasse! Ich habe intuitiv versucht Oropax anzulegen bis ich gemerkt habe, dass seit dem Eingangsbereich schon welche drin waren. Anhand des rhythmischen Faltenwurfs meines Hemdes schätze ich weit über hundert db aber tatsächlich in beeindruckender Qualität - das mit dem besten Soundsystem lasse ich gelten. Die riesige Halle wurde optisch von zwei gigantischen Laserbänken zerfetzt, während ein wirklich guter DJ sehr tanzbare Musik produziert hat. Alles was regelmäßig Bumm macht heißt bei mir Techno - aber diesbezüglich wurde ich mehrfach streng korrigiert: Goa-Psytrance war das! Alles klar, wie konnte ich das nur verwechseln...
Während in dieser Halle also Goa-Psytrance tobte konnte man in einem Außenbereich um einen Pool herumtanzen. Die Musik dazu war ruhiger, vielleicht Goa-Sleeptrance, aber ich habe mich nicht getraut Vermutungen anzustellen. Ab 4 Uhr konnte man dem Sonnenaufgang entgegen tanzen.

Neben diesen technischen Aspekten hatte sich auch eine nette Runde ergeben. Mit Ariel, Andi und Ben (ein erstaunlich extrovertierter amerikanischer Quantenphysiker) habe ich unüberschaubar viele Japaner kennengelernt, und Runde für Runde auf Dies und Jenes angestoßen. Angesichts der Zustände die man in der Akkumulation von Alkohol, Schalldruck und Lasergeflacker erreicht wundert es fast, dass diesem wahnsinnigen Treiben kein Gesetz Einhalt gebietet. Aber ab und zu konsumiert, schadet es hoffentlich auch nicht. Um 5:30 ging die erste Bahn zurück in die Innenstadt und ich habe mich entschieden, alle weiteren Erlebnisse bis Montagmorgen unkommentiert zu lassen. Wenn mein komisches Handy mir endlich die Übertragung meiner Daten gestattet, kommen auch noch ein paar Bilder nach...

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